POLARDISTANS 2015

Wie ich ihn erlebte!

Seit 2005 verbringen wir unseren Urlaub mit den eigenen Schlittenhunden in Schweden. Gemeinsam fahren wir, meine Frau Evelyn und ich, mit zwei Teams durch die mittelschwedische Winterlandschaft. Aber erst im Winter 2013 entschlossen wir uns, vor Ort an Wettkämpfen teilzunehmen. Nach vielen Jahren ab 1995 Teilnahme an Sprintrennen, wechselten wir 2009 in die Mitteldistanz. 2013 starteten wir dann erstmals über eine Langdistanz. Die Wahl fiel auf das „POLARDISTANS“ mit der kürzeren Strecke von 165km.

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Der Beginn war erfolgreich. Mit allen 8 gestarteten Hunden konnten wir das Ziel erreichen und Platz 8 von 19 Startern belegen. Im Jahr darauf wagten wir uns an die 300km-Strecke und lernten dabei sehr viel. Das Ziel schafften wir nicht – nach 210 km beendeten wir das Rennen vorzeitig. Nun sollte diesmal der zweite Versuch über diese Strecke erfolgreich gestaltet werden.

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Jedoch vor unseren Erlebnissen einige Gedanken zum POLARDISTANS. 2001 hatte das Rennen Premiere mit 10 Teilnehmern 30 km westlich von Särna in Mörkrets Fjällgard. 2002 fand das Rennen dann mit Start und Ziel in Särna über 300 km mit 17 Teilnehmern, darunter die deutschen Starter Ingo Stollenwerk und Hans-Werner Schwegel, statt. Särna ist ca. 60km von Sälen, dem Startort des bekannten Wasalaufes entfernt und blieb bis heute Start- und Zielort des POLARDISTANS. Ab 2005 wird ergänzend zur 300er Strecke eine 150-160 km-Strecke gefahren. 2005 starteten 25 Teilnehmer über die längere Strecke und 3 Teilnehmer über 150km. Dieses Jahr starteten im Gegensatz dazu über die 300er Strecke 4 Musher während 37 Musher die 160 km in Angriff nahmen. Diese Tendenz zeigt sich ab 2008. Ein vortreffliches Thema, über Ursachen zu diskutieren.

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Jedenfalls ist man konsequent dabei geblieben, das POLARDISTANS nur für reinrassige Schlittenhunde zu veranstalten. Die Gesamtteilnehmerzahl jedenfalls hat sich nicht reduziert. Deutsche Starter konnten sich mehrfach in die Siegerlisten eintragen: Ingo Stollenwerk, Stephan Ziesel 3x, Rupert Hirschberg 2x, Hans-Werner Schwegel, Manfred Witschel, Harry Weiss und Markus Högl. Neben genannten Sportlern belegten weitere Deutsche Podestplätze: Elke Schiller, Dietmar Tonndorf, Ralf Neubauer, Hendrik Stachnau, Volker Ebertshäuser, Hans-Richard Beck, Hans-Jürgen Ebert und Wilfried Umbach. Viele weitere belegten gute Platzierungen.

Noch einige Worte zur Organisation. Von Teilnehmern früherer Jahre weiß ich, dass in der Organisation mehrfach personelle Wechsel stattfanden. Auch die Streckenführung ist stärker variabel. Vor unserer Teilnahme ab 2013 vernahmen wir mehrfach kritische Bemerkungen. Unsere Erfahrungen ab 2013 sind jedenfalls gut. Gut präparierter Trail, Ausschilderung absolut ok, tierärztliche Betreuung ohne Fehl und Tadel, Checkpoint-Organisation passt und Orgbüro sauber organisiert. Einziges Manko dieses Jahr war, dass das GPS-Tracking nicht durchgängig im Internet verfolgt werden konnte. Das kann leicht behoben werden, indem umgesetzte Eingaben mit Gegencheck geprüft werden.

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Unsere Vorbereitung für das diesjährige Rennen war zunächst hinsichtlich möglichen Schneetrainings bzw. Aufbauwettkämpfen auf Schnee leider unbefriedigend. Selbst das Alpentrail musste wegen Schneemangel abgesagt werden. Es blieb dann nur, kurzentschlossen nach Schweden zu fahren. In der dritten Januardekade starteten wir und begannen dort auf Schnee zu trainieren. Etwa 5 Wochen konnten wir vor dem Rennen auf Schnee nutzen. Das ist meines Erachtens eher zu wenig für ein 300km-Rennen. Glücklicherweise blieben Erkrankungen unserer Hunde während dieser Zeit aus. Ständiger Schneefall sorgte für saubere Trainingsstrecken. Infekte, hereingeschleppt von großen Rennveranstaltungen blieben aus (Femundsloppet war wegen Witterungsproblemen abgebrochen worden).

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Für das 300km-Rennen hatten vier Siberian Husky-Teams in der Klasse Nome C 12 Hunde gemeldet. Drei davon wechselten kurz vor dem Rennen auf die kürzere Distanz. Damit durfte ich in dieser Kategorie solo starten. Das Ziel des Wettkampfes für mich – nämlich mit gesundem Team ins Ziel kommen – änderte sich für mich damit nicht. Drei weitere Teams nahmen die 300km in Angriff. Mit Pulka startete der Norweger Leif R. Björneseth und mit AM/GRL-Teams gingen der Schweizer Tobias Polinelli und der Österreicher Michael Meyer ins Rennen. Während diese Teams am Dienstag, den 3.3. starteten ging ich am Mittwoch, den 4.3. kurz nach 9Uhr an den Start. Nach Absolvierung der 5 Teilstrecken über 74, 68, 108, 48 und 5km hatten wir für die Wertung bis Freitag, den 6.3. 12Uhr Zeit ins Ziel zu kommen. Zwei Pflichtpausen von 6 und 4 Stunden vor und nach der 108 km-Etappe waren jeweils im Checkpoint einzuhalten!

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Bei sonnigem und ruhigem Wetter und einstelligen Minusgraden starteten wir. Die erste Hürde hatte ich gleich kurz nach dem Start zu nehmen. Ich stürzte wegen eines Fahrfehlers, konnte jedoch unbeschadet weiterfahren. Das erste Teilstück führte auf einem kupierten sehr breiten Waldweg in Richtung Idre. Nach wenigen Kilometern bereits versperrte eine kaum zu übersehende Rentierherde den Weg auf dem Trail. Mit lautem Rufen gelang es mir, die Flucht der Herde in den Wald zu erreichen. Kurz darauf das gleiche Spiel mit einer wohl noch größeren Herde. Diese Truppe scherte sich nicht um mein Rufen und blieb lang stehen, so dass wir bis auf wenige Meter herankamen. Dann rannten die Rentiere doch los und ich konnte nicht verhindern, dass mein Team versuchte in den Wald zu folgen. Ankern, Leader im Tiefschnee (ich verschwand bauchtief im Schnee) auf den Trail zurückholen und dann weiter – das war schon mal recht anstrengend! Der Trail war nicht richtig fest und damit für die Hunde sehr tief und sehr kraftraubend zu laufen!

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Etwa nach 50km noch unterhalb der Baumgrenze beim Anstieg ins Fjell erkannte ich auf dem Trail ein verlassenes Nachtlager der zwei AM/GRL-Teams. Die Erklärung dafür, warum ich im GPS-Tracking am Abend zuvor die zwei Teams unbewegt sah. Offensichtlich hat der tiefe Schnee diesen Teams so viel Kraft gekostet, dass weit vor dem Checkpoint eine längere Pause eingelegt werden musste. Mit mäßiger Geschwindigkeit ging es ins Fjell und dann abwärts zum ersten Checkpoint Lövnäsvallen, den wir ca. 17Uhr erreichten. Zu etwa 80% war der Trail bis hierher tiefer Schnee, im Fjell recht verweht. Wir pausierten etwa ½ Stunde, ich stärkte die Hunde und wichtig auch mich selbst. Im Rennstress vergangener langer Rennen hatte ich mit Essen und Trinken zu wenig an mich gedacht. Ich erfuhr, dass alle drei vor mir gestarteten Teams an diesem Checkpoint das Rennen vorzeitig beenden mussten – Tribut an die weiche und tiefe Schneequalität!

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Für den folgenden Streckenabschnitt nach Lillhärdal machte man mir Hoffnung auf festeren Trail. Das hat sich glücklicherweise bestätigt, so dass ich aufpassen musste, dass die Hunde nicht zu schnell laufen. Frits Bakker hat bei der Präparation der Strecke hierher und auch für die folgende Etappe zurück ins Fjell ganze Arbeit geleistet. Kurz nach Mitternacht erreichten wir den zweiten Checkpoint (nur unser Team machte hier Station), dem tiefsten Punkt unterwegs. Nun gut Ausruhen und Kraft sammeln für den folgenden 108 km-Kanten.

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Eine Hündin – sie war im Sommer wegen Bänderriss operiert worden – hatte muskuläre Beschwerden. Lange massierte ich sie bei Temperaturen um minus 20Grad, so dass an Schlaf nicht zu denken war. Früh gegen 7 Uhr machten wir uns auf zur Königsetappe. Zuvor musste ich die betroffene Hündin „Indy“ aus dem Team nehmen. Etwa 2/3 des Teilstückes ging es ständig bergauf und dann nacheinander über zwei Fjellpassagen. Das Team lief stabil mit mäßiger Geschwindigkeit bergan, was den Hunden aber sehr viel Kraft kostete. Im Fjell wurde ich innerlich etwas ungeduldig, weil eine größere Schleife bis auf den höchsten Punkt der gesamten Wettkampfstrecke für mich gefühlt kein Ende nahm. Das spürten die Hunde und ich begann im Lead Wechsel vorzunehmen. Nicht vorzustellen, wenn ich nicht mehrere Hunde im Lead hätte einsetzen können.

In der zweiten Fjellpassage dieser Etappe wie aus dem Nichts ein Blizzard. Urplötzlich der Himmel bedeckt, starker Schneefall und kräftiger Wind von der Seite, machte uns das Leben schwer. Gut, dass ich im Training Windpassagen im Fjell gesucht habe. So wusste ich, mit welchen Hunden im Lead wir bei solchen Bedingungen am wirksamsten und sichersten weiterkommen. In dieser Phase passierten wir ein 8 Hunde-Team, welches mit den widrigen Bedingungen nicht mehr zurechtkam und auch nicht folgen konnte. Nach dem Rennen sprach ich die Musherin – sie war auf der 160 km-Strecke unterwegs – und erfuhr, dass Sie im Fjell übernachten musste. Was für eine Energieleistung, so ein Rennen noch ins Ziel zu bringen, Hochachtung der Norwegerin Astrid J.V. Tomtum mit ihrem Team!

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Dann ging es bergab in ruhigere Gefilde und um ca. 19 Uhr erreichten wir den nächsten Checkpoint Off Road. Hier entschied ich, anstatt der 4 Stunden-Pflichtpause 6 Stunden Ruhe einzulegen. Intensivst wurden alle Hunde nach den absolvierten 257 km untersucht. Die Älteste der eingesetzten Hündinnen „Billie“ zeigte beim Vetcheck Beschwerden im Leistenbereich. Sicherheitshalber nahmen wir sie aus dem Team. Kurz nach 1 Uhr in der Nacht ging es auf zu die letzten 53 Kilometern. Die 10 Hunde hatten sich gut erholt und starteten munter auf das letzte Teilstück. Der Trail jetzt war extrem gut und verleitete die Hunde und auch mich zu schneller Fahrt. Im Fjell angekommen hatte ich um etwa 5 Uhr stärker mit Müdigkeit zu kämpfen. Bloß bei etwaiger nachlassender Konzentration keinen Fahrfehler machen. So war ich froh, dass es wieder abwärts ging und es abwechslungsreicher wurde.

Die Hunde wirkten nun etwas müde und ich begriff, dass ich dieses Teilstück zu Beginn habe zu schnell laufen lassen. So kam die nächste Prüfung auf mich zu. Etwa 10 km vor dem Ziel, also nach ca. 300 km absolvierter Strecke, nutzten die 10 Hunde einen langsamen Anstieg, um sich hinzulegen und einzuringeln. Was nun tun? Eine kurze Pause bringt sicherlich nichts, zu längerer Pause konnte ich mich nicht entschließen. Nach einiger Überlegung sprach ich zuerst mit den Leadern und danach mit allen andern in aller Ruhe einzeln. Dann schnell zum Schlitten und das Kommando „go“! Und siehe da, es ging weiter.

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Eine Situation mit viel innerer Spannung für mich war bewältigt. Nun schob ich den Schlitten jeden Anstieg noch kräftiger hoch als zuvor, damit jeder im Rhythmus bleibt! So nach und nach begann ich langsam richtig daran zu glauben, dass wir das Rennen bis ins Ziel schaffen werden. Im letzten Checkpoint angekommen spannte ich noch „Hachi“ aus. Er hatte mal beim Umspannen etwas Zoff und sich eine kleine Wunde an der Pfote zugezogen. Dann endlich nach etwa 48 Stunden und 10 Minuten konnten wir das Ziel bei wieder schönstem Wetter passieren. 9 Hunde der gestarteten 12 kamen wohlbehalten ins Ziel. Einer der Rüden „Ivo“ war stärker erschöpft und erholte sich unter ärztlicher Aufsicht bis abends. Die unterwegs ausgespannten Hunde waren alle schon da und fühlten sich unter der Obhut meiner Frau wie gewohnt wohl.

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Geschafft! Ein Traum ist erfüllt!

Danke Gescha, Ina, Glen, Billie, Ginny, Rover, Ilay, Ivo, Indy, Hachi, Ice und Grisu – ihr seid ein klasse Team gewesen – das Team „Wizsenborns“! Dies waren unsere Olympic Games!

Großer Dank an meine Frau Evelyn für das tolle Handling und die Unterstützung!

Im 160 km-Wettbewerb waren 37 Teams gestartet, 21 schafften es bis in das Ziel. Darunter alle deutschen Starter Hans-Richard Beck (3.), Martina Neuber-Beck(4.), Manfred Witschel (5.) und Johannes Wahrhausen (7.)!

Herzlichen Glückwunsch!

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Vielen Dank an alle Organisatoren und Helfer, allen voran die souveräne Rennleiterin Karina Andreasen und dem Chief Vet Sergio Maffi mit Vet Team!

Klaus Barth