Ultramarathontraining mit Hundebegleitung
Jedes Jahr das Gleiche.
Schon relativ zeitig steht das erste läuferische Highlight im Kalender: der legendäre Junut. Damit man auf seinen 239 Kilometer nonstop, welche mit neckischen 7900 Höhenmetern gespickt sind, Spaß hat, hilft Humor allein nicht weiter. Man sollte sich auch mit entsprechendem Training wenigstens halbwegs darauf einstellen.
Hat man allerdings vor, diese Distanz mit Hundebegleitung durchzuziehen, sollte das Training – der Verantwortung seines 4beinigen Partners zuliebe – ein bisschen ernsthafter und vor allem als Mensch-Hund-Team betrieben werden. Wenn sich der Mensch quälen will, okay, selbst schuld. Für den Hund muss die Freude an die Bewegung im Vordergrund stehen und nicht jeder Hund hat Bock auf 20 Stunden Dauerschlurf.
Deshalb sieht man mich stets mit mehr als nur einem Hund in der Gegend herum joggen, sobald der Trainingsplan in die Junut-Kurve geht. Ob und welcher der Hunde dann welches Teilstück des Junuts (die kompletten 239 Kilometer kommen aufgrund des damit verbundenen Schlafentzugs nicht in Frage) mitläuft, das ist ein Prozess, der sich über einige Wochen und Monate, die reich an Kilometern sind, hinzieht.
Für den Junut hat es sich bei mir bewährt, etwa 3 bis 4 Wochen vor dem Start einen langen Trainingslauf im dreistelligen Kilometerbereich zu absolvieren. Genau hier bin ich jetzt angekommen. Und mit mir auch die diesjährigen Hunde-Favoriten für den Junut: Melvin (albanischer Show-Husky) und Kasimir (polnischer Edel-Mix).
Es geht los.
Sonntag. Ich habe mir vorgenommen, extra früh aufzustehen, weil ich für die abgesteckten 100 Kilometer etwa 14 Stunden veranschlage. Hat ja prima geklappt und gegen 11 Uhr traben wir endlich los. Melvin atmet zuvor noch schnell den letzten Brocken seines Frühstücks ein.
Ich war zu faul, um für diesen Trainingslauf extra irgendwo hinzufahren. Also wurde die Hausstrecke um ein paar Kilometer erweitert, bis sie in einen dreistelligen Kilometerbereich kommt.
Zu Beginn geht es erstmal durch ein stetig wachsendes Neubaugebiet. Das Städtchen wird ringsum versiegelt, dem Zentrum die Luft abgedreht: Immer mehr Wohnhäuser, ehemalige Ladengeschäfte sowieso, stehen leer.
Kasimir, unser polnischer Edelmix, hat ne seltsame Figur und damit auch ein Geschirrproblem (reibt sich auf). Wir arbeiten dran und sind auf einem guten Weg, jetzt ein passendes gefunden zu haben. Bevor sich jemand erzürnt: Das Halsband ist ´ne Übergangsphase und aufgrund des Begleit- und fehlenden Zughundetalents von Kasimir… kein Problem.
Wir verlassen das Donautal, erklimmen satte 50 Höhenmeter. Es geht gen Nord-Westen in den Wald, Richtung Weitwanderweg HW2.
Kilometer 10+
Mein Plan ist es, nach 14 Kilometern den HW2 zu überqueren, um nach etwa 28 Kilometern auf den HW1 zu stoßen, diesen dann bis zu seinem Start in Donauwörth zurück zu verfolgen, um dort wieder zum HW2 zu wechseln und auf diesem zurück bis zu der Stelle, an der wir den HW2 schonmal überquerten, dann die restlichen 14 Kilometer wieder nach Hause. Ganz einfach.
Ob ich mir das alles merken kann? Ich habe einen Navi.
Kilometer 20+
Apropos Navi: Nach etwa 20 Kilometern erreiche ich die höchste Stelle der Trainingstour. Klar, Hochgebirge schreibt man anders, aber auf knapp 1500 Höhenmeter sollte ich insgesamt auch kommen, immerhin.
Hier war ich noch nie, obwohl es nicht wirklich weit von meiner Haustür weg ist. Und ich weiss auch nicht, ob ich ohne Navi jemals wieder hier her finden würde. (Und ob ich das überhaupt will.)
Na also, das ist es ja, das rote Dreieck des HW1. Immer dem stumpfen Ende nach und wir kommen zum Ausgangspunkt, unserem Zwischenziel Donauwörth.
Kilometer 30+
Auf schmalen Trails trabt Melvin voraus und Kasimir hinterher. Ich bin demnach in der Mitte.
An Wasser mangelt es nicht.
Auch nicht an langen, einsamen Wegen.
Kilometer 40+
Der Wald spuckt uns recht hügelig kurz vor Harburg aus.
Wir bleiben zwar unter den 600 Metern üdM, aber es gibt ein Gipfelkreuz.
Der nordöstlichste Punkt unseres Ausflugs.
Kilometer 50+
Vor uns taucht die Harburg auf.
Die Harburg zu Harburg.
Blick von der Harburg hinunter nach Harburg.
Ein schöner Wanderweg führt uns um Harburg herum.
Soweit ich weiss ist Harburg auch das südliche Ende des Frankenwegs, aber das ist eine andere potentielle Geschichte.
Wir machen uns auf den Weg, weiter Richtung Donauwörth. Da muss ich dann auch meine Wasser-Reserven auffüllen.
Industrieromantik. The dark side of the (Harburg) castle.
Ich bin wohl ein paar Meter vom HW1 abgekommen.
Fotografieren verboten.
Wir werden Donauwörth nicht mehr bei Tageslicht erreichen.
Die Wörnitz, welche bei Donauwörth in die Donau mündet.
Kilometer 60+
Wir durchqueren die Donauwörther Altstadt.
Es wird Zeit für die erste richtige Pause.
15 Minuten später machen wir uns auf den Weg. Donauwörth bei Nacht.
Wir ziehen hinauf in einen Vorort, der uns wieder in den Wald zurück bringen soll.
Kilometer 70+
Wir laufen in den Wald und hinter uns kommt ein Geländewagen. Er will Schweine schießen und zu mir sagt er, dass ich aus Tierschutzgründen nicht durch den Wald laufen soll. Er lässt den Motor laufen und das Fernlicht strahlt in den Wald. Ich erkläre ihm, dass gleichmäßige Bewegungen auf einem offiziellen Weg, der nicht verlassen wird, weit weniger Unruhe verursacht als ein Fahrzeug, ein Fernlicht und das anschließende Lauern und Schießen abseits des Weges. Er beharrt weiter auf seine Tierschutz-Theorie und will, dass ich den nächsten Feldweg links abbiege.
Ich bestehe weder auf Wegerecht noch Logik und biege den nächsten Weg links ab. 100 Meter später geht ein anderer Weg nach rechts, dann wieder einer nach rechts, sodass ich wieder auf der alten Fährte lande. Einige Augenpaare, nur wenige Meter vom Weg entfernt, schauen mich ruhig an. Alles richtig gemacht.
Auch mit den Schuhen. Raus aus dem Karton und 100 Kilometer bequem durchlatschen (Qualitätsmerkmal).
Kilometer 80+
Da ich die Strecke, welche jetzt noch vor mir liegt, meist bei Tag ablaufe – ich bin wieder im Hausstreckenradius angekommen –, bin ich über die dunkle Abwechslung ganz froh. Kasimir und Melvin scheint das ziemlich egal zu sein. Sie stiefeln noch immer recht munter voraus.
Kilometer 90+
Den HW2 habe ich mittlerweile verlassen und befinde mich auf der Zielgeraden. Ich freue mich schon auf die warme Dusche, den warmen Kaffee, warmer Tee, warmes Essen. Ein kühles Bier.
Kilometer 100+
Nach 101,2 Kilometern, 1784 Höhenmetern, 13 Stunden und 42 Minuten waren wir wieder zuhause. Und das Bier war auch schon kühl gestellt. Gassi XL. Ein perfekter Sonntag. Ab jetzt dürfen die Trainingsdistanzen für den Junut im zweistelligen Kilometerbereich bleiben. Bis sich der Terrier ins Bett verzieht vergeht noch eine Weile. Aber irgendwann ist auch für ihn Feierabend.