Allem Anfang wohnt ein Regen inne.

Wolken schleichen flotten Schrittes um und über das Wettersteingebirge, als wir das Basecamp des Zugspitz Dogtrekkings in Grainau erreichen. Manchmal lassen sie wohltemperierte Tropfen fallen. Die Berg´ler wissen bescheid: Was sich im Tal noch erfrischend anfühlt, kann sich in hohen Regionen zum eiskalten Wahnsinn ausdehnen. Wir modifizieren den Happy-Hippo-Nachkriegs-Schlager: Pack die Badehose aus, nimm die 2. Regengarnitur mit rein, und dann nischt wie rauf zur Zugspitze.

Have matsch fun.

Freitag Nachmittag, Ankunft im Basecamp. Alex war bereits unterwegs. Er hat sich die ganz lange Kante vorgenommen und weder Zeit, Wind oder Wetter sollen ihn davon abhalten. Er ist sowas wie die TransSib unter uns Dogtrekkern. Distanz ist relativ und Wladiwostok is just an eleven letter word.

Um 18 Uhr verabschieden sich Maria und Martina, ebenfalls für die lange Kante und ganz ehrenhaft mit einer Runde Haselnuss-Schnaps. Wenn ich mir vorstelle, das hätte jeder Starter mit mir gemacht, wäre das Wochenende sehr bald zu einem horizontalen statt vertikalen Vergnügen geworden. Prost!

Steph und Anne ziehen als nächstes los Richtung Wolkendecke, welche an diesem Tag in wenigen Minuten erreicht wird.

Last Minute Check.

Es ist leicht, die übrig gebliebene Mannschaft für ein kurzes Start-Briefung zusammen zu bekommen, wenn man es unter dem einzigen Schirm der Zeltwiese abhält. Ich gratuliere den Dogtrekkern Sina und Ronny für ihre erstklassige Wahl, das ZDT als Junggesellenabschieds-Sause auserwählt zu haben und wünsche ihnen für die Zukunft viele schöne gemeinsame Kilometer. Anschließend gebe ich noch ein paar Tipps zu den einzelnen Distanzen und wünsche uns allen ein halbwegs brauchbares Wetter, denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

Aber sie wird sterben.

Dann gehen auch Nina und Petra auf die Piste. Sie wollen die Dogtrekking-Distanz rocken. Es ist kurz vor 20 Uhr.

Der rollende Verkaufsstand von DerHundling ist ebenfalls vor Ort und versorgt einige Dogtrekker noch mit Last-Minute-Objekten der Begierde. NEine Portion Ersatz-Booties gefällig? Oder wie wäre es mit der aktuellen dog&sport, Lesestoff, falls es auf den schier unendlichen Trails mal fad wird? Kein Problem – alles da.

Gegen 21 Uhr mache ich mich mit Kasimir (polnischer Terrier-Edelmix) und Melvin (albanischer Sibirier mit schwäbischem Akzent) auch endlich vom Acker. “Wie? Du schmeisst das ganze und haust dann einfach ab?” werde ich gefragt. Na klar doch. Bevor die ersten Beschwerden eintrudeln gewinne ich lieber Land. Oder – wie in diesem Fall – Wasser.

Wasser fließt nach unten, wir gehen nach oben.

Das erste nasse Highlight der Tour ist die Höllentalklamm. Bist du schonmal durch eine Autowaschanlage gelaufen? Das fühlt sich so ähnlich an. Die Höllentalklamm ist eine Rundum-Dusche, während man in einem Bach flussaufwärts läuft. Die Akustik verbreitet die angenehme Atmosphäre eine Maschinenbauhalle, in welcher Doppelschicht gefahren wird. Da hilft nur Ohren anlegen und durch. Haha, tut mir leid, Melvin.

Sound of Silence.

Oh wie schön ist Panama. Wir sind aber im Höllental. Liegt die Klamm erstmal hinter dir, macht sich eine wunderbare Stille breit. Jetzt mal abgesehen von den vereinzelten Sturmböen, dem heftigen Regen und den Schlurfgeräuschen der klatschnassen Socken und Turnschuhen.

Wir kommen zum Drehkreuz und somit zur ersten Kontrollstelle. Der Wind bläst frisch und ich frage mich, ob die kurze Hose eine gute Entscheidung war. Zum Glück habe ich noch eine lange Version im Rucksack, aber die möchte ich mir für später aufheben. Wir sind erst drei Stunden unterwegs, stecken demnach noch knietief im Prolog. Unter 24 Stunden wird das bei diesen Wetterverhältnissen nichts. Den Hunden sage ich das jetzt lieber nicht.

Am Osterfelderkopf bläst der Wind besonders heftig. In Kombination mit dem Regen lässt er die Frage, warum man sich das überhaupt antut, aufkommen. Glücklicherweise ist mir in diesem Moment viel zu kalt, um über eine Antwort nachzudenken, also laufen wir weiter.

Ich schreie Anne und Steph an und sie schreien zurück. Nicht weil wir böse aufeinander wären, sondern um die Worte gegen den Sturm ankämpfen zu lassen. Nach einem kurz gehaltenen Smalltalk verabschiede ich mich von den beiden tapferen Damen und biege in den Bernadeinsteig ein. Das nächste Highlight steht an…

I love Stuiben.

Die Abzweigung zum Stuiben führt erstmal recht steil und beschwerlich zur Stuibenhütte. Doch kaum ist man an dieser vorbei, offenbart sich das Wettersteingebirge, oder – wie man es hier nennt – das Wettersteinparadies, von seiner schönsten Seite.

Niemand braucht einen Weg, um glücklich zu sein. Wie der gepflegte Rasen eines englischen Golfplatzes umschmeichelt sanft der Untergrund deine strapazierten Füße. Welch Wohltat! Selbst um die Orientierung muss man sich hier keine Gedanken machen, denn wohlriechende, anschmiegsame Latschenkiefern bilden eine Allee, welche dich auf direkten Weg zum Gipfel des Dogtrekking-Glücks, wie die Stuibenspitze trefflich genannt wird, führen. Die Aussicht ist phantastisch und es bricht einem fast das Herz bei dem Gedanken, jemals wieder von der Stuibenspitze gehen zu müssen. Hier oben scheint an 364 Tagen im Jahr die Sonne.

Das ZDT fand am 365. Tag statt.

Rein ins Reintal.

Wir klammern uns an den Windschatten der Pfeiffer Sisters. Diese fahren ungefähr unser Tempo. Das “ungefähr” ist schuld daran, dass ich wenig später allein und ziemlich platt am Partnachufer der Bockhütte sitze und in meinem Rucksack nach Essbarem wühle. Nina und Petra sind während dessen schon weiter gezogen. Ich sehe wie Tanja mit Dogtrekking-Queen Bibi im Biergarten der Bockhütte Quartier bezogen haben. Sie machen nicht den Eindruck, als wären sie auf Gesellschaft aus.

Ha, da ist es ja. Das Falafel-Sandwich, welches ich mir für schlechte Zeiten mitgenommen hatte. Mein Energieriegel 2.0. Dazu einen kräftigen Schluck aus der Partnach (überhalb der Markierstelle, versteht sich) und schon kann es weiter gehen!

Wir sind jetzt seit 9 Stunden unterwegs, also immer noch knietief im Prolog. Aber wir haben gute Laune und freuen uns über jede Minute, in der es nicht regnet. Schnurstracks klettern wir am Ende des Reintals hoch zur Knorrhütte. Kasimir ist müde, aber gut drauf. Melvin denkt nicht drüber nach, ob er müde ist oder nicht. Manchmal beneide ich meinen Husky.

An der Knorrhütte ist keine Partystimmung, also ziehen wir gleich weiter nach Süden Richtung Gatterl.

No sleep till Austria.

Immer wieder ziehen lustige Schauerwolken über uns hinweg. Aber wir sind nicht die einzigen, welche dem Wetter trotzen.

Das Reintal von oben.

Kontrollstelle kurz vor Gatterl. Der Regen wird wieder heftiger, die Witze werden flacher.

Keine Wanderer unterwegs. Machen wir was richtig oder falsch?

Oh, da, für die Dauer eines Wimpernschlages einer Libelle wird es etwas heller. Hätte ich “Sonnenbrille” auf die nicht vorhandene Pflichtgepäcksliste packen sollen? Wer weiss.

Die zeitraubendste Tätigkeit beim Fotografieren ist mittlerweile die Suche nach einem Quadratzentimeter trockenen Stoffs, um zuvor das Objektiv trocken zu rubbeln.

Die Landesgrenze ist erreicht.

Ich habe gehört, dass das Wetter in Tirol tendenziell besser als in Bayern sein soll.

Auf die ersten zwei Kilometer scheint dies auch zuzutreffen, doch schon bald hat uns die Realität wieder eingeholt.

Was ist das? Eine Alex Morgana! Damit wir uns trotz Sturm unterhalten können, ohne vom Bergkamm heruntergeblasen zu werden, sagen wir unseren Hunden, sie sollen in den Boden beissen. Funktioniert prima. Alex macht mir Mut: “Da drüben auf dem Berg wird´s erst richtig heftig.” Ja, danke auch und schönen Tag noch.

Wir sind nass bis unter die Unterwolle. Es wird Zeit für meine zweite Regengarnitur. Der Regen lässt für einen kurzen Moment nach und ich ziehe mich um. Genau in diesem Moment schaut schon neckisch die nächste dunkle Wolke zu uns herüber und beglückt mit fast waagrecht heran ballerndem Graupel.

Schnell wieder das Rucksäckchen geschnürt und weiter auf eigentlich traumhaften Trails.

Ein Mensch kommt mir entgegen. Ein Mensch! Wahnsinn. Natürlich ist es kein Tourist, sondern ein Einheimischer. Er fragt mich, wo ich herkomme. Ich beginne, aufzuzählen, und bevor ich damit fertig bin winkt er ab und zieht mit der Bemerkung “Ein Verrückter…” von dannen.

Ok, dann gehen wir eben auch weiter.

 

Ohne zu sehr vermenschlichen zu wollen. Habe ich aufgrund dieser Aktion hier bei Kasimir wertvolle Bonuspunkte verloren? Ist er dezent sauer auf mich?

Schon kommen die nächsten frisch geduschten DogtrekkerInnen um die Latschenkiefer-Ecke. Was für ein Trubel.

Ich habe Martina, Maria und Tanja schon kurz zuvor (aus sicherer Entfernung, ganz der Gentleman) beobachtet, wie sie mit einer Herde neugieriger Kühe fertig wurden. Respekt!

Auf meine Frage, wie denn die “Schlüsselstelle” mit 700 Höhenmetern auf 1800 Meter Länge bei diesen Wetterverhältnissen zu bewältigen war, bekomme ich ein “halb so schlimm” zurück und atme auf.

Als ich vor der Felswand stehe und verzweifelt nach oben blicke weiß ich ihren Humor zu schätzen.

Ich setze Melvin auf Bibis Spur im Fels an. Der alte Rüdentrick. Jetzt blos nicht nachlassen. Melvin darf nicht in Versuchung kommen, nachzudenken, was er da treibt. Und bei einem Husky hat man ja glücklicherweise auch ein bisschen Zeitpuffer.

Oben angekommen bin ich erstmal geplättet und sinniere über schlechte Filmtitel. Hunde, die auf Schafe starren. Zum Beispiel.

Meilerhütte, we are coming.

Das Wetter wird etwas besser, versuche ich mir einzureden. Wir sind nun seit 18 Stunden unterwegs.

Ich mag diese Hochebene sehr. Schade, dass sie so hoch oben ist, aber alles andere wäre wohl albern.

Die Meilerhütte ist ein Highlight, keine Frage. Die Hunde bekommen übrig gebliebene Würstchen, ich hausgemachten Kuchen und gegen die Dehydrierung zwei Bier. Als Nachspeise gibt´s die ersten ernsthaften Sonnenstrahlen der (Tor-)Tour.

Mit frisch geladenen Akkus machen wir uns auf den Abstieg und fliegen nur so dahin über die Trails hinunter nach Schachen.

Mit Sonnenlicht sieht alles gleich ganz anders aus. Auch Melvin kann sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen.

In Schachen scharf links hinunter, eine kurze Kletterpassage, dann links den Waldpfad (kurze Verschnaufpause für Kasimir und Melvin, weil ich wieder auf die kurze Hose wechsle) hinauf zur Oberangerhütte.

Where is my mind?

Auch ich werde während des verlängerten Endspurts (Bockhütte – Kreuzeck – Basecamp) müde, aber die schwarzen Stiere, welche mich aus der Abenddämmerung im Wald bedrohlich ansehen, halten mich wach.

Kurz nach 22 Uhr komme ich an und werde von meinen größten Fans (zu viele, um alle aufzuzählen) begrüßt. Sie sind mir mit großem Tamtam entgegengelaufen!

Gerade noch rechtzeitig für ein gemütliches Feierabendbier und Lobesliedern meiner bereits eingetrudelten KollegInnen, deren Strophen von Regen und Stuiben, von Stuiben und Regen handeln. Kann man sich leicht merken. Mitgröhl-Qualität garantiert.

Sonntag ist Siegertag.

Meine Damen und Herren, Applaus für die Bambini-GoldEditioner 2017!

Und hier sehen sie die besten Hiker von und zu Wetterstein. Selten hat der Name so gut gepasst. Miriam (links im Bild) hat mit 7:44 sogar einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Ihr Geheimrezept: Sie muss laufen, solange es dunkel ist, damit die Höhenangst keine Chance hat.

Und hier unsere Top-Stuibenstürmer, die Drei vom Doghike-GE!

Die Dogtrekking-Distanz 2017 haben sogar Vier gemeistert, herzlichen Glückwunsch!

Oben wird die Luft immer dünner. Die Dogtrekking-GoldEdition hat 2017 nur ein Einziger geschafft, unser Ultra-Smurf Alex!

Anstatt Blumen oder so gibt es beim Zugspitz-Dogtrekking eine Spendendose für den guten Zweck. Oder sogar für zwei Zwecke. Deren Inhalt, zweimal 330 Euro, konnte gleich vor Ort weitergegeben werden.

Jette (links) hilft beim Tierschutz-Projekt CLAW/FORA in Südafrika mit. In Johannesburg (Soweto) gibt es riesige Probleme mit Parvo, Staupe und auch Tollwutfälle, bei Mensch und Tier. Die Spendensumme von 330 Euro beträgt umgerechnet 4980 Rand, diese haben sie auf 5000 aufgerundet – und das sind jede Menge wertvoller Impfstoffe!

Claudia (rechts) ist bei den Pfotenfreunden Rumänien aktiv. Es werden zum Beispiel Kastrationen von Straßenhunden organisiert, um das Tierleid dort deutlich zu vermindern.

Ich möchte mich bei allen bedanken, welche ihren Teil für diese großzügige Spendensumme beigetragen haben. Ganz egal, wie hoch der Betrag ist.

Ein von Herzen gespendeter Euro ist mehr “wert” als fünfzig Euro abgedrückte Startgebühr.

Fazit.

Der Sonntag lässt mit viel Sonne so manche Frostbeule der vergangenen Tage wieder vergessen. Stolz ist man auf die absolvierte Leistung und auch darauf, aus Vernunftsgründen die geplante Strecke verkürzt zu haben. Wer noch eine Rechnung mit der Zugspitze offen hat, wird diese mit Vergnügen in einem Jahr begleichen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück (unzählige Brote, abwechselnd mit Hummus und Peperoni, dann wieder mit Marias Banane-Erdnussmus-Aufstrich) und netten Plaudereien verabschieden wir uns.

Der Kopf ist mit unzähligen Bildern gefüllt, der Rest wird vom Schlafdefizit gekitzelt. Schön war er. Und hart. Der Fluch der steilen Kanten.

Ich möchte mich bei allen bedanken, welche dieses Wochenende zu einem einmaligen Erlebnis gemacht haben. Danke für die Unterstützung, den fast schon familiären Zusammenhalt, den verantwortungsbewussten Umgang untereinander und vor allem auch zu den wahren Helden dieses Wochenendes, unseren Hunden.

Die Ergebnisliste:  http://lennyracingteam.de/zdt3/

Video von Markus (Platz 1 im Doghike-GoldEdition):

Video von Sarah:

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https://www.youtube.com/watch?v=mSk4_z7j47k

Bericht von Maria (mountain-dogs) zur Dogtrekking-Distanz:

https://www.mountain-dogs.net/zugspitz-dogtrekking-2017/

… und das Video von Maria:

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https://www.youtube.com/watch?v=ausi86Vm5O8

Bericht von Franziska:

http://lapibarosa.de/zdt-2017/

Bericht von Christian (Der Hundewanderer) zum Doghike-GoldEdition:

https://derhundewanderer.jimdo.com/bewerbe-und-berichte/2017/zugspitzdogtrekking/


Habt ihr beim ZDT17 auch mitgespielt und einen Bericht geschrieben oder eine Fotogalerie gemacht? Gerne werden wir sie hier verlinken.